BR 605:Als
Baureihe 605 (auch:
ICE TD,
VT 605) bezeichnet die
Deutschen Bahn AG dieselelektrische
Neigetechniktriebzüge für den Personenfernverkehr. Der
ICE TD ist der schnellste Dieseltriebzug, der je in Deutschland verkehrte. Auf Testfahrten erreichte er mit 222 km/h einen neuen deutschen Rekord für Dieseltriebzüge.
Die Deutsche Bahn bestellte im Spätsommer 1997 insgesamt 20 Einheiten der Baureihe 605 als ICT. Der Auftrag im Umfang von 280 Millionen D-Mark wurde an die Siemens AG, ihre Tochter Duewag AG und die Deutsche Waggonbau vergeben.[2] Technik, Aufbau und Design des vierteiligen Diesel-Triebzug wurden, in weiten Teilen, aus dem bereits 1994 in Auftrag gegebenen ICE T abgeleitet. Wesentliche Änderungen waren zur Unterbringung der dieselelektrischen Antriebsanlage und ihrer Hilfseinrichtungen notwendig geworden. Eine wesentliche Rolle spielten darüber hinaus die schalltechnischen Vorgaben: Im Innenraum sollte der Schalldruckpegel bei 200 km/h 70 dB(A), in der Umgebung 84 dB(A) nicht überschreiten.[1]
Vorgesehene Einsatzgebiete des Triebzuges waren ursprünglich die topografisch schwierige Sachsen-Franken-Magistrale von Dresden nach Nürnberg und die Strecke München–Zürich. Erstmals seit mehreren Jahrzehnten sollten damit wieder Dieseltriebzüge im schnellen Fernverkehr zum Einsatz kommen.[1]
Von Anfang an stand jedoch der Einsatz auf der Sachsen-Franken-Magistrale unter keinem guten Stern. So wurde die Zulassung des Eisenbahnbundesamtes zum bogenschnellen Fahren für die Strecke Nürnberg–Dresden erst am Tag vor dem offiziellen Fahrplanwechsel im Juni 2001 erteilt. Schon am ersten Tag des fahrplanmäßigen Einsatzes war ein Großteil der Züge wegen Ausfalls der Neigetechnik unpünktlich unterwegs. Auch der offizielle Eröffnungszug mit den Politikern der Bundesländer Bayern und Sachsen war von derartigen Pannen begleitet. Vor allem in den ersten Monaten des Einsatzes waren Verspätungen von bis zu 50 Minuten die Regel, so dass die erhoffte Steigerung der Reisendenzahlen auf der Strecke ausbleiben musste. Erst nach über einem halben Jahr waren die größten Probleme behoben und die Züge verkehrten weitgehend planmäßig. Erschwerend kam hinzu, dass die Ausbauarbeiten zum Zeitpunkt der Betriebsaufnahme des ICE TD bei weitem noch nicht abgeschlossen waren und die langen eingleisigen Abschnitte zwischen Hof und Bayreuth sehr verspätungsfördernd wirkten. Die durch die Hochwasserkatastrophe im August 2002 verursachten Schäden im nördlichen Teil der Franken-Sachsen-Magistrale zwangen zu einer Beschränkung der ICE Linie 17 auf den Abschnitt Nürnberg - Chemnitz, was einen weiteren Rückgang der Fahrgastzahlen zur Folge hatte.
Am 27. September 2001 stürzte die Einheit 5509 im Bahnbetriebswerk Hof teilweise (605 009) von einer Hebebühne, und wurde schwer beschädigt. Die beschädigten Wagen 605 009 und 605 109 wurden zur Überprüfung der Aufarbeitung ins Bombardier-Werk Ammendorf gebracht. Die unbeschädigt gebliebenen Fahrzeuge 605 209 und 605 509 verblieben zunächst in Hof und wurde als Ersatzteilspender verwendet. Im April 2004 wurden alle Wagen des Triebzuges 5509 auf Straßen-Tiefladern nach Chemnitz transportiert. Eine Verschrottung fand bis heute nicht statt.
Nach einem Bruch der Radsatzwelle am Wagen 605 203 des ICE 1799 „Franken-Kurier“ bei Gutenfürst zwischen Plauen und Hof am frühen Morgen des 2. Dezember 2002 wurden die Züge vom Eisenbahn-Bundesamt kurzfristig stillgelegt. Nach wenigen Tagen (zur Durchführung von zusätzlichen Inspektionen der Radsatzwellen) wurde der Betrieb mit deaktivierter Neigetechnik wieder freigegeben und die ICE TD kamen wieder zwischen Nürnberg und Dresden sowie München und Zürich zum Einsatz.
Die notwendigen Umbaumaßnahmen an den Radsatzwellen der Züge wurden jedoch erst am 30. Oktober 2003 abgeschlossen[3]. Die Züge hätten wenig später wieder bogenschnell fahren dürfen, die Deutsche Bahn entschied sich jedoch gegen einen weiteren Einsatz. Der Konzern gibt an, der Betrieb rentiere sich aus zwei Gründen nicht: Zum einen sei die Kapazität von 195 Sitzplätzen zu gering, zum anderen sei der Dieselbetrieb zu teuer, weil für den Treibstoff neben Öko- und Mehrwertsteuer auch der volle Mineralölsteuersatz fällig würde. Zum Fahrplanwechsel 2003 wurden die mit der Baureihe 605 gefahrenen ICE-Verbindungen zwischen Nürnberg und Dresden durch InterCity-Züge (betrieben mit Nahverkehrstriebwagen der Baureihe 612) ersetzt. Da die Triebwagen der Baureihe 612 seit August 2004 wegen Anrissen, die an den Achsen festgestellt wurden, auch ohne Neigetechnik verkehrten, setzte die Bahn ab Fahrplanwechsel am 14. Dezember 2003 wieder lokbespannte Züge ein. Die 19 ICE TD wurden geschützt in Hagen und München betriebsfähig abgestellt.
Die DB AG hat in der Folge mehrere Versuche unternommen, die Züge ins Ausland zu verkaufen. Zunächst interessierte sich die ÖBB für die Züge, um damit einen internationalen Verkehr zwischen Deutschland, Österreich, Ungarn und Tschechien aufzubauen. Mit den Dieseltriebzügen hätte man sich die Problematik der unterschiedlichen Stromsysteme erspart. Letztlich entschied man sich aber aus Kostengründen gegen den ICE TD.
2003 war die Gründung eines Joint Ventures mit der Staatsbahn Irans im Gespräch, um die Züge dort zum Einsatz zu bringen.[3] Verhandlungen über einen Verkauf der Züge in den Iran scheiterten, nach Angaben der Deutschen Bahn, an zu hohen Kosten für die notwendige Umrüstung für das iranische Streckennetz.[4]
In Vorbereitung auf die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 wurde ein Teil der ICE-TD-Flotte reaktiviert. In einem ersten Schritt wurden dazu zwei Musterzüge reaktiviert. Ein Fahrzeug war dabei in Hagen in einer Halle abgestellt gewesen, der andere im Freien in München. An den beiden Zügen, die während ihrer dreijährigen Abstellung unterschiedlichen Umweltbedingungen ausgesetzt waren, wurden die notwendigen Maßnahmen zur Wiederinbetriebsetzung der ICE-TD-Flotte untersucht.[4]
Letztlich wurden neun Züge wieder instandgesetzt. Dabei mussten insbesondere alle beweglichen Komponenten der Hydraulik der Dieselmotoren ausgetauscht werden, die durch die lange Standzeit Schaden genommen hatten. Auch mussten Starterbatterien gewechselt werden, die während der Standzeit an Kapazität eingebüßt hatten. Kleinere Veränderungen erfolgten unter anderem an der Software zur Steuerung des Kupplungsvorgangs und den Austausch von Piktogrammen durch nachleuchtende Exemplare. Eine neue Software wurde auch für das Fahrgastinformationssystem und den Verkehr in (der erstmals geforderten) Dreifachtraktion eingespielt. An Ostern 2006 erfolgte erstmals wieder eine Fahrt mit Fahrgästen; bis zu diesem Zeitpunkt waren bereits sieben Züge reaktiviert worden, zwei weitere Züge folgten bis zum Beginn der Fußball-WM am 9. Juni 2006.[4]
Diese ersten Planeinsätze erfolgten dabei auf der Relation Hamburg−Köln. Es wurde sogar fahrplanmäßig die Geschwindigkeit von 200 km/h erreicht. Nie zuvor war ein Planzug mit Diesel-Traktion in Deutschland mit einer solch hohen Geschwindigkeit unterwegs.
Während der Fußball-WM 2006 wurde ein Teil der Züge im Charterverkehr für ausländische Fußballfan-Gruppen eingesetzt. U. a. beförten die neun reaktivierten Züge Fußballfans aus Brasilien und Mexiko.[4] Planmäßig werden sie freitags und sonntags auf der Relation Hamburg–Köln eingesetzt.
Im Februar 2007 wurden die ICE TD von München zum Bahnbetriebswerk Hamburg-Eidelstedt umbeheimatet.
Die zweite Klasse im ICE-TD
Die Züge gliedern sich in vier Wagen[1]:
- Endwagen 2. Klasse: Führerstand mit Lounge (acht Sitzplätze), Großraumbereich. Ein Teil des Wagens ist zum Fahrradabteil umrüstbar.
- Mittelwagen 2. Klasse: Großraumbereich, Mutter-Kind-Abteil, Telefonzelle, je ein barrierefreies und ein konventionelles WC.
- Mittelwagen 2. Klasse mit Bordküche und Zugbegleiterabteil, zwei Toiletten
- Endwagen 1. Klasse mit Führerstand, Lounge (sechs Sitzplätze) und Großraumbereich (darin zwei Abteile mit je vier Sitzplätzen, die mit halbhohen Wänden vom Großraum abgetrennt sind)
Die Züge können untereinander ebenso zu Mehrfachtraktionen gekuppelt werden wie mit den ICE T.[1] Die Dieseltriebzüge können bei Bedarf um einen Wagen verlängert werden.[2]
Die Neigetechnik der Züge wurde, abweichend vom ICE T, von Siemens Verkehrstechnik entwickelt.[1]
Die Dieselmotoren bringen eine Leistung von jeweils 559 kW[5], nach Abzug der Hilfsbetriebeleistung, eine Traktionsleistung von je 425 kW auf. Für die vierteilige Einheit ergibt sich damit eine Leistung am Rand von 1700 kW.[1]
Asynchron-Fahrmotoren, Bremsen und weitere Komponenten wurden unterhalb des Fahrgastraumes angebracht und quer über die Länge des Zuges verteilt. Durch die somit entfallenden Triebköpfe konnten an beiden Enden der Züge so genanntes Lounges eingerichtet werden. Nur durch eine Glasscheibe getrennt, können Fahrgäste dort dem Triebfahrzeugführer bei seiner Arbeit zusehen und voraus auf die Strecke schauen.
Im Rahmen der Umrüstung wurde auch die Durchsichtigkeit der Trennscheibe in der Lounge zwischen Führerstand und Fahrgastraum reduziert.[5]
Zwischen Juni 2001 und August 2003 verkehrten die Züge auf der Sachsen-Franken-Magistrale zwischen Dresden und Nürnberg als ICE-Verbindung. Zukünftig sind auf dieser Strecke keine weiteren Einsätze der Züge mehr vorgesehen.
Die ICE TD fuhren 2001/2002 und 2002/2003 auch die Verbindung Zürich–St. Gallen–Lindau–München. Mit der Stilllegung der Flotte wurde diese Verbindung, bis zum nächsten Fahrplanwechsel weiterhin als „ICE-Verbindung“ verkehrend, mit EuroCity-Garnituren bewerkstelligt.
Seit April 2006 kommen die neun betriebsfähigen der 19 Einheiten zwischen Köln und Hamburg als Verstärkerzüge im Wochenendverkehr zum Einsatz[6]. Zusätzlich kommen sie zu besonderen Ereignissen als Verstärker in den planmäßigen Verkehr.
DSB- und DB-Logo an einem Dänemark-tauglichen ICE-TD
Ab Fahrplanwechsel zum 9. Dezember 2007 verkehrt ein zweiteiliger ICE TD von Berlin nach Hamburg. Nach einer Zugteilung in Hamburg verkehrt dabei ein Teil weiter über Lübeck nach Kopenhagen. Anfang Januar 2008 kommt eine tägliche Verbindung von Hamburg nach Kopenhagen hinzu, ab März 2008 eine Verbindung nach Århus hinzu.[7] Eine entsprechende Kooperation haben Dänische Staatsbahn (DSB) und Deutsche Bahn AG geschlossen. Die Fahrzeit soll zwischen Berlin und Århus auf unter sieben Stunden gedrückt werden[8]. Dazu sollen unter anderem einige Halte gestrichen und die Höchstgeschwindigkeit in Dänemark von 140 auf 180 km/h erhöht werden. Die Züge werden dazu u. a. mit dem dänischen Zugsicherungssystem ATC nachgerüstet.[9] Am 24. April 2007 fand erstmals eine Versuchsfahrt mit einer Garnitur im Bauch zweier Schiffe der Vogelfluglinie statt.[9] Mit der 45-minütigen Fährüberfahrt über den Fehmarnbelt verkehrt erstmals fahrplanmäßig ein ICE im Bauch eines Schiffes.[10] Mit einer Länge von 106 m passen die Züge auf das Eisenbahngleis der Fähren.[11]
Am 9. Dezember 2007 rollte mit dem ICE-TD von Århus nach Berlin-Ostbahnhof der erste fahrplanmäßige ICE überhaupt im Flensburger Bahnhof ein. Für Reisende von Flensburg nach Hamburg verkürzt sich die gut zweistündige Fahrzeit nicht.
Nach Betriebsaufnahme sieht der Fahrplan zunächst einen Mischbetrieb zwischen dem dänischen IC3 und dem deutschen ICE-TD vor. Ab Mitte März 2008 verkehren dann auf der Relation Hamburg-Århus täglich zwei ICE-TDs und lösen somit den EC-Verkehr vollständig ab, während er auf der Relation Hamburg-Kopenhagen mit dann jeweils zwei ICEs und zwei ECs täglich zunächst weiter bestehen bleibt. Die ICE-TD sollen auf deutscher Seite darüber hinaus teilweise in Doppeltraktion verkehren.[9] Die Reisezeit zwischen Berlin und Kopenhagen soll dann bei sechs Stunden und 51 Minuten liegen, die Reisezeit zwischen der Bundeshauptstadt und Århus um eine halbe auf dann sechs Stunden und 45 Minuten reduziert werden. Die Deutsche Bahn rechnete vor Betriebsaufnahme mit einer Erhöhung der jährlichen Reisendenzahl zwischen Hamburg und Kopenhagen um 30 Prozent auf 330.000 Fahrgäste.[12]
Bis Dezember 2007 sollen in den DB-Betriebswerken Krefeld (äußere Umbauten) und Hamburg (Innenarbeiten, Elektronik) fünf ICE-TD-Einheiten für den Dänemarkverkehr umgebaut werden; bis März 2008 sollen fünf weitere Einheiten folgen.[13] Bei entsprechender Nachfrage könnten drei weitere Fahrzeuge umgerüstet werden.[5]
Die Züge werden im Rahmen der Umrüstung u. a. mit dem dänischen Zugbeeinflussungssystem ATC (ZUB 123), dänischem Zugfunk sowie einem GPS-gestützten Ortungssystem (TRIT)[13] ausgerüstet. Jeweils ein zusätzlicher Schaltschrank in jedem Endwagen nimmt im Fahrgastraum die neuen Komponenten auf.[14] Um die zusätzliche Technik unterzubringen, wurde eine Gepäckablage ausgebaut.[5] In jedem Endwagen wurden 50 zusätzliche Komponenten mit einem Gesamtgewicht von rund 270 Kilogramm je Endwagen eingerichtet.[4] Die Züge sollen wenigstens 13 Jahre zwischen Hamburg und Kopenhagen zum Einsatz kommen.[14] Zu den Neuerungen im Führerstand zählen zusätzliche Bedienlemente für den Systemwechsel, ein zusätzlicher Tachometer für das ATC-System, eine zusätzliches Display für Diagnosemeldungen und ein zusätzliches Dateneingabegerät (DSB); erstmals fand in einen ICE-Führerpult ein Getränkehalter Einzug. [15]
Im Rahmen des 13-Jahres-Vertrags zwischen DB und DSB entrichtet die DSB ein Nutzungsentgelt pro Kilometer in Dänemark und gibt Investitionszuschüsse. Die Kosten der Umrüstung belaufen sich auf etwa eine Million Euro pro Einheit[13], zuzüglich der Kosten der Zulassung.[4]
Im Dänemark-Verkehr erreichen die Fahrzeuge auf der Berlin-Hamburger Bahn ihre Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h. Zwischen Hamburg und der deutschen Grenze in Flensburg liegt die Höchstgeschwindigkeit bei 140, auf dänischem Gebiet bis zu 180 km/h. Der Dieselverbrauch auf der neuen Relation liegt nach DB-Angaben bei 2,2 Litern je Person und 100 Kilometern, bei einer Auslastung von 40 Prozent.[5]
Seit Ende Oktober 2002 werden ICE-Züge mit Namen von Städten versehen. Bedingt durch die vorübergehende Abstellung haben ICE-Züge anderer Baureihen die Namen übernommen, die Züge der Baureihe 605 sind aber weiterhin mit folgenden Namen beschriftet:
- DB Reise & Touristik AG (Hrsg.): ICE T − BR 411, 415 und 605. Hestra Verlag 2000, ISBN 3777102881
- Maier, M., Kottenhahn V., Rath, B.: Dieselelektrischer Schnelltriebzug VT 605 (ICE-TD) für die Deutsche Bahn AG. Eisenbahn-Revue International (ERI), 2000, Nr. 10, S 444 ff
- Kurz, H.: Diesel-Schnelltriebwagen mit Neigetechnik für den Fernver- kehr der Deutschen Bahn - Entwicklungsabschluss und Baubeginn. Eisenbahn-Revue International (ERI), 1998, Nr. 3, S. 98 ff.